Indigene Kühe
Der Erhalt der einheimischen Kuh- und Stierrassen ist wichtig, um eine nachhaltige Landwirtschaft zu gewährleisten, denn sie sind am besten an das lokale Klima angepasst.
Der Druck des Marktes zwingt viele Bauern, ihre Kühe aufzugeben oder auf importierte, mehr Milch produzierende Rassen umzusteigen. Mit verheerenden Folgen: Ersatz der gesunden A-2 Milch durch die umstrittene A-1 Milch, krankheitsanfällige Tiere, steigende Unterhaltskosten.
Mit Aufklärungsarbeit und finanzieller Unterstützung machen wir uns für die indigene Züchtung stark, damit die indischen Bauern unabhängig bleiben und die vielen Vorteile der einheimischen Tierhaltung genutzt werden können.
Besonderheiten indischer Kühe
Als weltliche Verkörperung der Hindu-Gottheit Kamadhenu werden Kühe von Hindus im ganzen Land verehrt und prägen das Dorfleben. Milch weckt bei vielen Indern Assoziationen von elterlicher Zuneigung und Gesundheit. Tatsächlich ist Milch für die Familien kleiner oder landloser Bauern eine wichtige Nahrungsquelle. In der oftmals vegetarischen indischen Küche sind Milchprodukte eine essentielle Quelle für tierische Proteine.
Der hohe Stellenwert, den Kühe in der indischen Gesellschaft geniessen, lässt sich jedoch nicht nur durch ihren wertvollen Beitrag zur Ernährung der Menschen erklären. Vielmehr ist es ihre Rolle in der Landwirtschaft, die sie auf dieses Podest hebt. Gerade in ländlichen Gebieten bildet sie das Rückgrat der lokalen Wirtschaft. Staatliche und private Milch-Genossenschaften ermöglichen es den kleinen und landlosen Bauern, etwaige Produktionsüberschüsse in urbanen Ballungsräumen zu verkaufen. Somit ist die Milchproduktion seit jeher einer der wichtigsten Motoren für die indische Landwirtschaft.
Da Indien sehr vielfältige klimatische Bedingungen aufweist, entwickelte sich hier eine riesige Vielfalt an einheimischen Kuh- und Stierrassen. In verschiedenen Regionen wurden in Jahrtausenden der Viehzucht verschiedene Merkmale selektiert. Dabei spielten nicht nur der Milchertrag, sondern auch der Futterbedarf, sowie die Resistenz gegen Krankheiten und klimatische Bedingungen eine Rolle. Das Ergebnis ist ein hoher Grad der Anpassung an ihre Umwelt, welcher die einheimischen Kuh- und Stierrassen zu einem wertvollen ökologischen Erbe Indiens macht.
Die Kühe sind nicht nur integraler Bestandteil der traditionell nachhaltigen Landwirtschaft Indiens, sondern weisen darüber hinaus nur sehr geringe Unterhaltskosten auf. Leider haben der Import von exotischen Rassen und die Lockerung der traditionell sehr strengen Zuchtpraktiken den Erhalt reinrassiger Tiere in den vergangenen Jahrzehnten äusserst erschwert.
Die drohende Milchkrise
Indien ist der grösste Milchproduzent der Welt. Dennoch steuert das Land mit den meisten Kühen in der Landwirtschaft geradewegs auf eine Milchkrise zu. Der Grund: Indiens Kühe geben zu wenig Milch. Der durchschnittliche Milchertrag je Kuh hängt deutlich hinter dem internationalen Durchschnitt zurück. Die Deckung des stark ansteigenden Milchbedarfs im Land scheint somit fraglich.
Bereits seit den 1960er-Jahren versucht Indien, dieser absehbaren Milchkrise entgegenzuwirken. Der zentrale Grund für das bisherige Scheitern der Massnahmen ist die grundlegende Fehleinschätzung des Potentials einheimischer Kuhrassen.
Indien beherbergt 37 indigene Kuhrassen, von denen 5 zu den Milchkuhrassen gezählt werden, nämlich Sahiwal, Gir, Red Sindhi, Tharparkar und Rathi. Sowohl in- als auch ausländische Beispiele zeigen, dass die indischen Milchkuhrassen ein enormes Potenzial in sich tragen. Durch ihre klimatische Anpassung können sie, im Gegensatz zu europäischen Rassen, auch in tropischen Klimazonen eingesetzt werden. Trotzdem erzielen indigene Kühe in Indien nur einen geringen Milchertrag. Woran liegt das?
Zunächst werden bei der Berechnung des durchschnittlichen Milchertrags alle indigenen Kuhrassen mit einbezogen, nicht nur die leistungsstarken Milchrassen. Somit ist die Ansicht über deren Effektivität stark verfälscht. Zusätzlich zeigt sich, dass der geringe Milchertrag auch auf die Unterernährung und mangelnde Wasserversorgung der Tiere zurückzuführen ist. Eine Verbesserung dieser Versorgungssituation durch gezielte Unterstützung würde den Milchertrag drastisch erhöhen.
Eine solche Unterstützung blieb in den vergangenen Jahrzehnten hingegen aus. Im Gegenteil werden seit den 1960er-Jahren als Reaktion auf die drohende Milchkrise einheimische Rassen zunehmend mit importierten westlichen Rassen ersetzt und gekreuzt, die einen höheren Milchertrag versprechen. Die exotischen Rassen konnten dieses Versprechen allerdings nur selten einlösen. Ihr Milchertrag ist geringer als erwartet und versiegt in vielen Fällen frühzeitig. Sie sind sehr krankheits- und wetteranfällig, da sie nicht an die lokalen Bedingungen angepasst sind. Diese fehlende Resistenz erfordert eine sehr ressourcenintensive Haltung. Sie benötigen teures importiertes Futter, eine klimatisierte Behausung, sowie eine teure und regelmässige gesundheitliche Versorgung.
Die wenigsten Bauern können sich diese Art der Haltung überhaupt leisten. Sobald der Milchertrag ausbleibt sind allerdings auch sie oftmals gezwungen, die Kühe aufzugeben. Aussätzige Kühe exotischen Ursprungs machen mittlerweile einen Grossteil der wilden Kuhpopulation aus, die die ohnehin schon knappen Ressourcen des Landes weiter belastet. Das Ergebnis ist eine zunehmend industrialisierte Kuhhaltung, die sich durch den Import von Futter, Medikamenten und Samen in die Abhängigkeit ausländischer Märkte bringen.
Es zeichnet sich ein möglicherweise irreversibler Verlust dieses wichtigen ökologischen Erbes ab. Kleinbauern verlieren ihre Lebensgrundlage und die traditionelle Landwirtschaft wird einem integralen Bestandteil beraubt.
Erhaltungsmassnahmen
- Veränderungen in den gesetzlichen Zuchtbestimmungen
Die nationale und bundesstaatliche Politik Indiens hat es in den letzten Jahrzehnten versäumt, einheimischen Rassen zu fördern. Im Gegenteil wurde der Import und die Züchtung von exotischen Rassen priorisiert, welche einen höheren Milchertrag versprachen.
Diese Vorschriften sollten hinterfragt und umstrukturiert werden. Bei der Zucht sollten wieder traditionelle Prinzipien der Sorgfalt angewandt werden. Bestimmte Zuchtgebiete und Rassen sollten unter besonderen Schutz gestellt werden.
- Stärkung von Zuchtfarmen und -organisationen
Ein Grossteil der Erhaltungsmassnahmen haben sich bisher auf staatlichen Zuchtfarmen beschränkt. Sollten diese neu ausgerichtet werden, könnten sie zu einer stabilen Quelle für Zuchtmaterial werden.
Zusätzlich zu staatlichen Zuchtfarmen sollten auch bäuerliche Zuchtorganisationen gestärkt werden. Sie sind essentiell für den Erfolg der Erhaltungsmassnahmen. Wichtig ist, die Zusammenarbeit von staatlichen Farmen und privaten Organisationen, sowie überregionale Zusammenschlüsse zu fördern.
- Unterstützung von Gaushalas
Die religiöse Bedeutung der Kuh im Hinduismus und die damit verbundene kulturelle Wertschätzung hat zur Bildung Gaushalas geführt. Diese bieten einer grossen Anzahl an Kühen eine Unterkunft, wo sie u.a. vor illegalem Schlachten geschützt werden. Unter den vielen Kühen befinden sich auch viele einheimische Rassen, die einen grossen Wert für deren Erhaltungsbemühungen spielen könnten. Allerdings haben die Gaushalas keine Ressourcen, um zu der Zucht und damit der Erhaltung dieser Rassen beizutragen. Sie sollten mit technischen und wissenschaftlichen Ressourcen ausgestattet und trainiert werden, um eine alternative Quelle für Zuchtmaterial zu werden.
- Schaffung einer wissenschaftlichen Grundlage
Grundlegend für die Koordination etwaiger Erhaltungsmassnahmen ist die Erstellung einer umfangreichen Datenbank, die alle relevanten Informationen über einheimische Rassen festhält. Dafür gibt es bereits Vorlagen, die nur auf einheimische Rassen ausgeweitet werden müssten.
Verbesserte Zuchtmethoden, wie künstliche Befruchtung, gefrorene Samenflüssigkeit oder moderne Untersuchungsmethoden, werden bisher hauptsächlich bei der Kreuzung von exotischen und einheimischen Rassen eingesetzt. Viele Besitzer einheimischer Rassen haben eine Abneigung gegenüber diesen modernen Methoden und setzen sie deshalb nur selten ein. Den positiven Einfluss, den diese Methoden auf die Erhaltungsbemühungen haben können, gilt es durch gezielte Aufklärungsarbeit zu mobilisieren.
- Bewusstseinsbildung
Die Veröffentlichung der verfügbaren Informationen soll die Motivation der Bauern wecken, sich an den Erhaltungsmassnahmen zu beteiligen. Kuh-Messen verfolgen ein ähnliches Ziel und ermöglichen den Bauern zusätzlich den Zugriff auf indigene Rassen.
Gesundheitsrisiko durch A1-Milch
Der Einzug der neuen Kuhrassen und der durch sie produzierten Milch bringt ausserdem einige gesundheitliche Bedenken mit sich.
Die importierten Tiere produzieren sogenannte A1-Milch, während einheimische Rassen A2-Milch produzieren. Der Unterschied liegt in der Zusammensetzung der beinhalteten Kasein-Proteine. A1-Milch enthält sowohl A1 Beta-Kasein als auch A2 Beta-Kasein. A2-Milch beinhaltet hingegen nur das A2 Beta-Kasein.
Seit Jahren wird in Fachkreisen über die gesundheitlichen Effekte der A1-Milch diskutiert. Erste Hinweise bringen sie mit Typ 1 Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, dem plötzlichen Kindstod und Autismus in Verbindung. Bei all diesen vermuteten Risiken ist die Indizienlage allerdings noch nicht ausreichend für definitive Schlussfolgerungen. Etwas eindeutiger belegt ist der negative Effekt, den das A1 Beta-Kasein auf den Verdauungstrakt hat.
Obwohl all diese Effekte noch weiterer Studien bedürfen, entwickelt sich bereits jetzt ein erhöhtes Bewusstsein bezüglich A2-Milch. Indische Milch und indische Milchkühe könnten in diesem Zusammenhang ein grosses Marktpotenzial für sich erschliessen. Allerdings verhindert das die Politik der vergangen Jahre durch ihre Priorisierung exotischer Kuhrassen, die A1-Milch produzieren.
Weitere Ressourcen
- Über die Bedeutung der Stiere und die Wichtigkeit ihrer Erhaltung erfährt man in diesem Blogartikel, der ein Interview mit Prof. Dr. Ulrike Niklas wiedergibt.
- Eine Übersicht über die bisher durchgeführten Studien zu den gesundheitlichen Risiken der A1-Milch kann man in diesem Artikel finden: A1 vs A2 Milk – Does it Matter?